Erster Fällversuch mit einem Dechsel (Foto: Chris Wenzel)

Nicht alles, was auf historischen Veranstaltungen, in Freilichtmuseen und Museen dem Publikum als experimentelle Archäologie vorgetragen wird, ist es auch. Nach der aktuellen Definition ist die Ausgangslage für experimentalarchäologische Versuche eine genau definierte Fragestellung.

Die Ergebnisse aus den Versuchen müssen messbar und jederzeit nachvollziehbar sein und müssen in allen Einzelheiten dokumentiert werden. Diese Ergebnisse müssen später unter den definierten Bedingungen jederzeit reproduzierbar sein.1) Danach gehören Feuerschlagen, Flintbearbeitung oder Filzen vor Publikum nicht dazu.

Seit 2011 nehmen meine Frau und ich an den Ergersheimer Experimenten teil, deren Gegenstand das Baumfällen und die Holzbearbeitung mit steinzeitlichem Werkzeug sind. Die Exerimente werden von Wissenschaftlern und Studenten verschiedener Universitäten, Denkmalämtern, Museen und Institutionen, sowie Archäotechnikern und interessierten Laien aus Deutschland und Österreich organisiert und großzügig von der Gemeinde Ergersheim und dem Archäologischen Verein Ergersheim und Umgebung unterstützt.

Die Ergersheimer Experimente werden auf der Homepage www.ergersheimer-experimente.de detaillierter vorgestellt.

Auswahl der verwendeten Werkzeuge bei den Experimenten 2011 und 2012

Es wird mit nach archäologischen Funden rekonstruierten Stein-, Geweih-, Holz- und Knochenwerkzeugen aus der Zeit um 5600 bis 5000 vor Chr. gearbeitet. Nach dem ersten Experiment wurden konstruktive Fehler an den Werkzeugen und deren Handhabung ermittelt und bei den Folgeexperimenten eliminiert. Daneben werden die Schnittmarken an den Fällkerben und den Holzabschlägen, die Abnutzungsspuren und Poliermarken an den Stein- und Knochenwerkzeugen, sowie den bearbeiteten Holzobjekten selbst detailliert aufgenommen und im Vergleich mit den archäologischen Funden ausgewertet. Die Ergebnisse der Experimente werden fortlaufend publiziert.

 

Ergersheimer Experiment 2011

Der Schwerpunkt lag auf der grundlegenden Sammlung von Erfahrungen im Umgang mit als Dechsel geschäfteten linearbandkeramischen Schuhleistenkeilen aus Aktinolith-Hornblendeschiefer, wie sie um 5600 bis 5000 vor Chr. verwendet wurden. Aufgrund zahlreicher Werkzeugausfälle konnte nur eine von drei Eichen gefällt, anschließend mit Geweihmeißeln und Holzkeilen aufgespalten und mit Knochenbeiteln weiter bearbeitet werden. Dieser Versuch offenbarte zahlreiche Optimierungsmöglichkeiten an den Werkzeugen, vor allem was die Auswahl der Schafthölzer und Bindungen anging.

  • Rengert Elburg, Wulf Hein: Steinbeile im Einsatz - Bäumefällen wie vor 7000 Jahren. In: Archæo. Nr 8 2011, S. 20-25. PDF Online
  • Wulf Hein, Rengert Elburg, Peter Walter, Werner Scharff †: Dechsel am Altenberg – Ein vorläufiger Bericht. In: Experimentelle Archäologie in Europa. Bilanz 2012, S. 49-55. PDF Online
  • Wulf Hein, Rengert Elburg, Peter Walter, Werner Scharff †: Dechseleinsatz in der „Saugrube“ – Experimente zur Fäll- und Holzbearbeitungstechnik in der Bandkeramik. In: Das ArchäologischeJahr in Bayern 2011. 2012, S. 182–185. PDF Online
  • Zwei geschäftete Dechsel, Modell „Bandkeramik Standard“ und „Danziska“, Institut für Ur- und Frühgeschichte der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

 

2. Ergersheimer Experiment 2012

Mit den Erfahrungen aus dem Vorjahr wurde eine Eiche mit linearbanderamischen Dechseln gefällt. Eine weitere Eiche wurde mit einer Flügelholmaxt (um 3600 bis 2600 vor Chr.) und eine mit einem keltischen Eisenbeil (ab etwa 800 vor Chr.) gefällt. Alle Stämme wurden anschließend weiterverarbeitet. Die Funktion und Handhabung von Dechseln mit einem Schäftungswinkel von 115° wurde vertieft und im Gegensatz zum Vorjahr es gab keine nennenswerten Werkzeugausfälle mehr.

Team Ergersheim 2012

 

3. Ergersheimer Experiment 2013

Die Arbeit mit LBK-Dechseln trat in den Hintergrund, dagegen wurde das Baumfällen mit frühneolithischen Breitkeilen Typ Rössen (sog. Rössener Breitkeilen, Rössener Kultur ca. 4300 bis 3500 vor Chr.) erprobt. Diese erwiesen sich, entgegen aller Erwartungen, aufgrund ihrer deutlich ergonomischeren Handhabung als wesentlich effizienter im Vergleich zu den Dechseln. Mit ihnen konnten Fällkerben mit einem Winkel von deutlich unter 90° und viel kürzere Fällzeiten erreicht werden. Das Aufspalten der gefällten Eichen wurde durch deren extreme Drehwüchsigkeit erschwert. Die Feinbearbeitung der Spalthölzer musste am Sonntag witterungsbedingt aufgegeben werden, da die über Nacht gefrorenen Hölzer mit Stein- und Knochenwerkzeugen nicht mehr bearbeitbar waren. Drei Spaltbohlen aus diesem Jahr wurden zur Weiterbearbeitung im nächstjährigen Experiment in unserer Regenwasserkaverne unter Wasser gelagert. Insgesamt erwies sich das Fällen und Bearbeiten der durch die lang anhaltenden winterlichen Temperaturen zähen Bäume als deutlich schwerer als in den beiden vorangegangenen Jahren.

  • Wulf Hein, Rengert Elburg: Dechsel am Dachsberg – Experimente zur frühneolithischen Holzbearbeitung. In: Archäologie in Deutschland (Im Druck)
  • Film: Baumfällen mit einem Dechsel
  • Wulf Hein: Dechsel am Dachsberg. Vortragsmanuscript. OpenArch Conference, Albersdorf 2013

 

4. Ergersheimer Experiment 2014

Fällversuch mit einem Rössener Breitkeil (Foto: Petra Strobel) Vier Eichen mit Durcmessern von 30 bis 45 cm wurden mit verschiedenen Steinbeilen gefällt, wobei für jeden Fällversuch nur ein einzignes Werkzeug verwendet wurde, ein Dechsel, zwei Rössener Breitkeiele und eine Flintaxt. Dabei wurde die netto-Fällzeit ermittelt sowie die Arbeitsspuren der Geräte an Fällkerben und Chips dokumentiert. Alle Bäume und Fällkerben wurden vor Ort mit einem 3D-Streifenlichtscanner gescannt, zusätzlich werden die herausgesägten Stümpfe anschließend im Labor mit einem hochauflösenden 3D-Scanner erfasst. Aufgrund optimierter Werkzeuge und verbesserten Fähigkeiten der Teilnehmer konnten deutlich kürzere Fällzeiten erreicht werden. An frischen Eichenspaltbohlen, sowie drei unter Wasser gelagerten Bohlen aus dem letzten Jahr wurde deren Feinbearbeitung mit Knochengeräten erprobt und das unteres Brunnensegment mit Zapfenschlössern hergestellt.

 

5. Ergersheimer Experiment 2015

Für das 5. Experiment haben wir eine etwa 8 Jahre Jahre abgelagerte Eichenbohle für ein Jahr unter Wasser eingelagert um deren Bearbeitbarkeit gegenüber einer aus dem gleichen Baum stammenden trockenen, und frisch geschlagenen Bohlen vergleichen zu können. Weiterhin haben wir einige frische Schafkochen getrocknet, aus denen vor Ort Werkzeuge angefertigt und verwendet werden. Weiter sollen verschiedene Wicklungstechniken der Werkzeuge, Spalttechniken, Holzverbindungen ausprobiert, und nicht zuletzt die angefangenen Brunnensegmente weitergebaut werden.

  • Beitrag: Zurück in die Steinzeit. In der Sendung Wir in Bayern des Bayerisches Fernsehen vom 25.03.2014 ab ca. 10:05:30

 

Aktuellere Experimente

Die aktuelleren Experimente können direkt auf der Webseite www.ergersheimer-experimente.de verfolgt werden.

 

Einzelnachweise

  1. Peter Kelterborn: Was ist ein wissenschaftliches Experiment?. In: Anzeiger der Arbeitsgemeinschaft für Experimentelle Archäologie der Schweiz AEAS. Nr. 1, 1994, S. 7-9 (PDF, 5,18 MB)